Wer sich in der Welt der Naturfotografie bewegt, weiß: Flexibilität, Bildqualität und Reichweite sind entscheidend. Seit nunmehr 3 Jahren begleitet mich das Telezoom Canon RF 100-500mm f/4.5-7.1L IS USM auf meinen Touren durch Wälder, Felder und Vogelschutzgebiete – Zeit für ein ehrliches Fazit.
Erster Eindruck & Verarbeitung
Wie man es von der L-Serie erwartet, fühlt sich das Objektiv absolut hochwertig an. Das Gehäuse ist robust, wetterversiegelt und dabei überraschend leicht (ca. 1.5 kg) für ein Supertelezoom dieser Klasse. Die weiße Lackierung reduziert die Aufwärmung in der Sonne – ein Detail, das gerade im Sommer wirklich hilfreich ist. Der Zoomring läuft angenehm geschmeidig, der Widerstand ist über einen Drehring (Smooth Tight) individuell einstellbar – praktisch, wenn man spontan zwischen feiner Kontrolle und schneller Brennweitenverstellung wechseln möchte.
Bildqualität im Feld
Die optische Leistung ist beeindruckend – insbesondere im Bereich zwischen 100 und 400mm. Kontrast, Schärfe und Farbwiedergabe liegen auf einem sehr hohen Niveau. Auch bei 500 mm bleibt die Qualität stark, wenn auch mit leichtem Abfall in der Randauflösung. Für die Naturfotografie ist das Objektiv ein Segen: Vögel auf Distanz, scheue Rehe im Morgenlicht oder Details in der Landschaft – all das meistert das RF 100-500 mit Bravour. Die Naheinstellgrenze von 0,9 m bei 100 mm erlaubt zudem schöne Close-ups von Pflanzen oder Insekten.
Autofokus & Bildstabilisator
In Kombination mit meinen 3 Canon EOS R Kameras arbeitet der Dual-Nano-USM-Autofokus schnell, präzise und nahezu lautlos – perfekt für Wildlife-Situationen. Besonders Vögel im Flug lassen sich mit etwas Übung hervorragend verfolgen. Der integrierte Bildstabilisator bietet laut Canon bis zu 5 Stufen Kompensation (in Kombination mit IBIS sogar mehr) – das merkt man deutlich bei Freihandaufnahmen, vor allem am langen Ende.
Praxistauglichkeit
Natürlich ist die Lichtstärke (f/4.5–7.1) nicht ideal für Dämmerung oder Waldaufnahmen. Doch dank moderner Sensorleistung und Rauschverhalten aktueller Canon-Bodys ist das in der Praxis selten ein echtes Problem. Wer auf Offenblende angewiesen ist, muss allerdings zu teureren Festbrennweiten greifen. Der Brennweitenbereich ist ideal für Naturfotografen: Vielseitig genug für Landschaftsdetails, Tiere auf mittlere Distanz und sogar scheue Vögel. In Verbindung mit dem 1.4x- oder 2x-Telekonverter (nur zwischen 300–500 mm nutzbar) lassen sich noch größere Distanzen abdecken.
Langzeiterfahrung
Ich muss zugeben, dass ich zum Zeitpunkt der Ankündigung des Canon RF 100-500mm f/4.5-7.1L IS USM misstrauisch war und dachte wer kauft ein über 3.000 Euro teures Zoomobjektiv mit einer derart schlechten Lichtstärke am langen Ende. Nach den ersten positiven Berichten, wuchs aber bei mir der Wunsch dieses Objektiv zu besitzen und es parallel zu einem RF 600 4.0 in der Tier- und Vogelfotografie einzusetzen. Inzwischen habe ich es seit 3 Jahren als ständigen Begleiter in meinem Fotorucksäcken dabei oder vielmehr trage ich es schon auf dem Weg ins Fotorevier in der Hand. Genau hier spielt es seine Stärke aus! Häufig sind mir früher Motive durch die Lappen gegangen, weil es einfach zu lange dauerte das große Teleobjektiv aus dem Rucksack zu holen, meist war das Motiv dann schon verschwunden. Hier zählt wieder das Motto „Das beste Objektiv ist dass, welches man dabei hat…“.
Es ist ein ungeheuer vielseitiges Objektiv, es kommt bei mir viel häufiger zum Einsatz als ursprünglich geplant. Gesucht hatte ich ein gut tragbares Objektiv für den Einsatz auf Wanderungen in den Bergen, um dort den ein oder anderen Bergbewohner adäquat ablichten zu können. Gefunden habe ich ein Objektiv was bei mir ein sogenanntes „Immerdrauf“ ist. So nutze ich es gerne um Vögel im Flug abzulichten, sich an Wildtiere wie Rehe anzupirschen oder auch scheue Insekten problemlos zu fotografieren, dank der kurzen Naheinstellgrenze von 1,2m bei 500mm ist auch dies kein Problem. Durch den hervorragenden Bildstabilisator und dem Kamerainternen IBIS fotografiere ich nahezu alles ohne Stativ.
Aber wo es viel Sonne gibt, gibt es immer auch Schatten. Im Falles des Canon RF 100-500mm f/4.5-7.1L IS USM ist tatsächlich nur wenig Schatten vorhanden. Was würde ich mir bei einer Neuauflage wünschen? Die Stativschelle ist einem Objektiv in dieser Preisklasse nicht würdig. Die Kameraobjektiveinheit lässt sich trotz fest angezogener Klemmschraube im Ring der Schelle drehen. Auch wenn ich das Objektiv in den seltensten Fällen vom Stativ nutze, ärgert es mich ungemein. Hier würde ich mich über eine Überarbeitung, am besten gleich mit einer Indexierung bei jeweils 90°, freuen. Der Smooth Tight Ring dient dafür, den Widerstand des Zooms fein zu justieren. Toll wäre es gewesen, wenn dieser auch ein rausrutschen des Objektivs komplett verhindern würde, wenn man die Kamera zum Beispiel mit einem Gurt über die Schulter trägt. Warum man dem Objektiv nicht eine Stop-Taste spendiert hat, wie es z.B. beim RF 70-200 der Fall ist, kann ich nicht verstehen. Der letzte Kritikpunkt ist der Controlring, den Canon für die meisten RF-Objektive entwickelt hat. Dieser kann im Kameramenü mit verschiedenen Funktionen (ISO, Belichtung u.a.) frei belegt werden, eine durchaus praktische Sache. Leider hat man diesen direkt am Bajonett platziert, wo er aus meiner Sicht absolut keinen Sinn macht. Fotografiert man mit einem Teleobjektiv, hat man eine Hand an der Kamera und die 2. Hand in der Regel vorne in der Nähe der Frontlinse platziert, daher ist für mich die Funktion des Controlrings beim Canon RF 100-500mm f/4.5-7.1L IS USM nutzlos. Komischerweise ist bei meinen übrigen RF-Objektiven der Ring immer nahe der Frontlinse angebracht. Das wäre aber auch schon alles, was es aus meiner Sicht zu mäkeln gibt.
Fazit
Das Canon RF 100-500mm f/4.5-7.1L IS USM ist für mich aktuell das vielseitigste Telezoom im RF-System. Wer viel in der Natur unterwegs ist und ein leichtes, robustes, optisch hervorragendes Objektiv sucht, das sich nicht vor Profi-Anforderungen verstecken muss, wird hier fündig. Die wenigen Mängel sind lediglich technischer Natur, optisch ist es über jeden Zweifel erhaben.
Pro:
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Hervorragende Bildqualität
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Robuste, wetterfeste Verarbeitung
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Geringes Gewicht für ein 500-mm-Zoom
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Schneller, präziser Autofokus
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Effektiver Bildstabilisator
Gegen:
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Relativ lichtschwach am langen Ende
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Preislich im oberen Segment (aber gerechtfertigt)
- Stativschelle hat keine Rasterung, leider lässt sich das Objektiv mit angezogener Feststellschraube noch verstellen
👉 Empfehlung für: Tierfotografen, Vogelbeobachter, Outdoor-Enthusiasten, die ein professionelles, aber mobiles Supertelezoom suchen.
Link zum Hersteller: Canon RF 100-500 IS USM
Beispielbilder: